Regie, Bühne, Video




Entführung aus dem Serail
von Wolfgang Amadeus Mozart

Regie, Bühne, Textfassung von Sebastian Hirn

Theater Aachen, 10.04.2016


Regie und Bühne griffen die arabische Erzähltradition und das arabische Bildverbot auf. In einem Aufruf wurden islamische Gemeinden in Nordreinwestfalen dazu gewonnen, Teppiche für die Aufführung zu spenden. Die zunächst leere Bühne wurde von Bühnenarbeitern zu Beginn der Aufführung mit den Teppichen ausgelegt, worauf dann die Erzählung stattfand. Wegen starkem Asthma der Darstellerin der Konstanze mussten die Teppiche schließlich kurz vor der Premiere durch einen Druck eines Teppichausschnitts ersetzt werden.
Der Versuch war, über den Aufruf zur Teppichspende in einen interkulturellen Dialog zu treten und dabei westliche Denkmuster und koloniale Bilder zu befragen. Auf dem LED Band waren in der Tradition Brecht/Piscators kommentierende Texte zur Handlung zu lesen. Die Darsteller*innen traten ausschließlich vom Zuschauerraum auf. Der Chor befand sich ebenfalls im Zuschauerraum.








Paride ed Elena
von Christoph Willibald Gluck

Regie, Bühne und Video von Sebastian Hirn


Internationale Gluck-Opern-Festspiele
Staatstheater Nürnberg, Opernhaus, 24.07.2014



Für die Inszenierung im Rahmen der Gluckfestpiele in Nürnberg wurden die Zwischenballette von »Paride ed Elena« gestrichen und die Handlung rückwärts als eine Art Beweisführung erzählt: Troja ist gefallen. Die Griechen plündern die Stadt und durchsuchen den Königspalast nach jenem Paar, deren verbotene Liebe den zehn Jahre währenden Kampf auslöste – Paris und Helena. Vor einem Gerichts-Tribunal, den Zuschauern, werden die beiden gezwungen zu zeigen, wie alles begann. Wie unter einem Mikroskop wurden ihre Reaktionen von der Kamera eingefangen, jede Gefühlsregung vergrößert.
Für Regie, Bühne und Video diente der Theaterraum dabei selbst als Ort der Handlung, als Repräsentationsbau, als ein ein zerstörter Palast. Die Hubböden waren leicht heruntergefahren und mit Wasser gefüllt. Kulissenrückwände von anderen Stücken standen an der Brandmauer. Der Orchestergraben war mit der Unterkonstruktion von Normpodesten überbaut und nur teils beplankt.

Ein riesiger Lichtrost senkte sich im Lauf der Aufführung nach unten, so dass der letzte Teil vor der Pause wie in einer Verhörsituation im grellen Gegenlicht stattfand. Nach der Pause wurde der Lichtrost mit weiteren Zugstangen gänzlich herabgelassen und die Theatermaschinerie freigelegt. Zwei große Fallschirme hingen von den Logen. Mit einem der Fallschirme wurde Paris zum Schluss in den Wassergräben ertränkt. An der Decke über dem Zuschauerraum waren zum Einlass Aufnahmen von einer „glücklichen“ Zeit zu sehen: Paris und Helena, wie sie sich im Schaum – Aphrodites Element – geliebt hatten. An die Decke projiziert zitierte der Schaum die Wolken barocker Deckengemälde. Mit einer Live-Cam wurden die Gefühlsregungen von Helena eingefangen und auf eine Rückseite einer Kulissenwand projiziert.  







Standbilder







delirio amoroso
von Georg Friedrich Händel

Regie, Choreographie (Solisten) und Raumkonzept von Sebastian Hirn


in Zusammenarbeit mit Xin Peng Wang nach einer Idee von Christian Baier. Bearbeitung aus »Delirio amoroso«, »Armida abbandonata«, »Aggrippina condotta a morire« und »Lucrezia« für Sänger und Tänzer, Oper Dortmund, 31.05.2008



Unter dem Titel »delirio amoroso« wurden in Dortmund vier weltliche Kantaten von Georg Friedrich Händel aus seiner römischen Zeit montiert und mit Sängerinnen und Tänzer*innen zur Aufführung gebracht. Für die Regie bildete die titelgebende Kantate den Rahmen, in der die weibliche Hauptfigur Chlori aus Liebesschmerz ihrem Geliebten in die Unterwelt folgt, um dort an den Bildern und Schatten der Vergangenheit zu zerbrechen und erst Erlösung an den Ufern des Flusses Lethe durch Vergessen zu erlangen.
Im Opernhaus Dortmund waren die Tänzerinnen und Tänzer in barocken Kostümen als Tote über den Zuschauerraum verteilt. Um sie herum auf dem Boden lagen Kartons von Fastfood und Popcorn, wie nach einer Kinovorstellung.
Mit dem Beginn des Gesangs der Chlori erwachten die Toten zum Leben und kletterten über die Köpfe der Zuschauer hinweg zur Bühne. Chlori begab sich über den Orchestergraben in die Welt des Todes. Bei Ihrem Weg als eine Art Seelenwanderung begegnet sie Spiegelbildern ihrer Seele, den Idealbildern ihrer selbst wie in einem Alptraum, den dramatischen Frauenfiguren, Armida, Agrippina und Lukrezia aus den anderen Kantaten Händels. Dabei wanderte das Licht aus dem Zuschauerraum zur Bühne. Zum Schluss gewinnt die Titelfigur den Kampf gegen die Peiniger ihrer Seele und steht in einem Wasserfall, der reinigenden Kraft des Vergessens und Wiedergeborenwerdens, der von einem Schlussterzett der Toten, Spiegelbilder aus dem Zuschauerraum, begleitet wird.













peep
Komposition von Helga Pogatschar, Libretto von Achim Wagner

Regie, Bühne, Videoregie und Konzept von Sebastian Hirn

München 2007

Mit Unterstützung des Bayerischen Musikfonds,
des Bayerischen Staatsministeriums für Forschung Wissenschaft und Kunst und der Siemens Musik Stiftung
Uraufführung, Muffathalle München, 11.07.2007



»peep« war der Versuch, musiktheatralisch Boulevard-themen zu bearbeiten. Klatsch und Tratsch über ein fingiertes prominentes Paar wurde von einem Chor aus verschiedenen Videoheads eingespielt, der auf die Rückwand einer abstrahierten riesigen Puppentheaterbühne projiziert wurde. Die Figuren auf dem Video wurden dabei auch von den beiden Sängern auf der Bühne gespielt.

Hierzu wurden im Vorfeld Greenscreenaufnahmen erstellt. Das Paar auf der Bühne sang also zu seinen eigenen a capella aufgenommenen Stimmen. Regie, Bühne, Video und Musik bildeten ein selbstreferenzielles, sich selbstbespiegelndes Perpetuum mobile.








Hänsel und Gretel
von Engelbert Humperdinck
in einer uminstrumentierten Fassung von Helga Pogatschar

Regie und Gesamtkonzept von Sebastian Hirn


Eine Produktion von Tollwood München, Theresienwiese München, Uraufführung, München, 29.11.2006


Für das Tollwood-Festival entwickelte Sebastian Hirn eine Version der Oper »Hänsel und Gretel«, die en suite über einen Monat in einem riesigen 6-Master Zelt mit 2000 Zuschauern gespielt wurde. Engelbert Humperdincks Oper wurde dafür für ein Orchester mit Volksmusikinstrumenten uminstrumentiert. In das Zelt auf der Münchner Theresienwiese wurde eine monumentale Gebirgslandschaft mit einer Höhe von 17 Metern, in der Größe eines halben Fußballfeldes aus Holz und Spritzbeton gebaut.

Das Märchen wurde als Flucht aus der monotonen Arbeitswelt gedeutet, als eine Art Initiation oberhalb der Baumgrenze. Zum Schluss überwinden die Kinder die kreative Kraft ihrer Phantasie, indem sie erkennen, dass die Hexe das Bild ihrer eigenen Vorstellung ist. Das riesige Kleid der Hexe, das wie Schnee die Gipfel bedeckt, bläst sich auf und implodiert. Die Kinder werden im Schlussbild von ihren Eltern in Zwangsjacken gesteckt und als erwachsen Gewordene der Arbeitswelt zugeführt.