reenacting the reenactment



rekonstruktion - deutschlandskizzen 1
Ein performativer Beitrag zum 200. Todestag von Heinrich von Kleist


Textcollage aus Archivmaterial von Sebastian Hirn


Regie, Bühne und Video von Sebastian Hirn
Fotoinstallation in Zusammenarbeit mit Katharina Gaenssler
München/Jena 2011/2012

gefördert vom Kulturreferat der Landeshauptstadt München

erste Aktion, MaximiliansForum München, 28.10. 2011
zweite Aktion, »Das Leben ist ein schweres Spiel«,
innerhalb des Festivals »Schrei nach Liebe – Woche deutscher Pathetik«, 04.02.2012,
eingeladen zum Rodeo- Festival 2012, MaximiliansForum München, 01.06.2012



Ausgehend von der Kopie des Doppelsuizids von Kleist durch Johannes R. Becher untersucht das interdisziplinäre Projekt »reenacting the reenactment« von Sebastian Hirn in Schauspiel, Musik, Tanz und Bildender Kunst anhand von teils unveröffentlichtem Archivmaterial deutsche Künstler zwischen pathetischer Selbstinszenierung und ihrer Sehnsucht nach realpolitischer Einmischung. In einer utopiefreien Zeit werden die Wunden noch einmal seziert, um hinter den toten Körpern das Pathos, den Geist des Widerstands und das Scheitern an der Utopie freizulegen.

Am 21. November 1811 geht Heinrich von Kleist gemeinsam mit Henriette Vogel in den Tod. Kleist übernimmt mit dieser ‚Inszenierung’ die Autorschaft über sein Leben. 100 Jahre später versucht Johannes R. Becher sich mit seiner Geliebten in München nach dem Vorbild von Heinrich von Kleist zu erschießen. Seine Geliebte stirbt an den Schussverletzungen, Becher überlebt.
Im Akt des ‚Nachspielens‘ inthronisiert er sich zum Nachfolger Kleists.

Heiner Müller findet am 1. Juni 1966 seine Frau, die Schriftstellerin Inge Müller, tot in ihrer Berliner Wohnung auf. Sie hat sich mit Gas vergiftet. Müller beschreibt die Situation in ‚Todesanzeige‘ später aus einer mehrfachen Distanz: Der reale Vorfall wird in dem Text zu einer mehrfach gebrochenen künstlerischen Inszenierung.
Am 9. Mai 1976 wird Ulrike Meinhof tot in ihrer Zelle in Stuttgart Stammheim gefunden. Statt eines Abschiedsbriefs liegt auf dem Tisch Wittgensteins ‚Philosophische Grammatik‘ aufgeschlagen. Ihr toter Körper wird im Kontext Wittgensteins zum sprechenden Zeichen.
1976 baut Joseph Beuys das Environment ‚Zeige deine Wunde‘ im Kunstforum (heute MaximiliansForum) auf. Beuys erklärt in einem Interview dazu, dass seine Installation die Wunden der Gesellschaft zeige: ‚Eine Wunde, die man zeigt, kann geheilt werden‘.