Kritik einer Inszenierung am Theater Ingolstadt



Philipp Löhle: Genannt Gospodin

Augsburger Allgemeine, 19. April 2010


Besitz ist abzulehnen

von Claudia Vorndran
Ingolstadt. Rote und blaue Papierschnipsel bedecken den gesamten Bühnenraum im Kleinen Haus des Theaters Ingolstadt. Der Regisseur Sebastian Hirn setzt „das Zerrissene“ in seiner Inszenierung von „Genannt Gospodin“, einem beim Berliner Theatertreffen prämierten Schauspiel von Philipp Löhle (*1978), gezielt ein. Mal sind die Papierschnipsel eine Abfederung für den in eine Lebenskrise fallenden Gospodin, mal dienen sie als ein Versteck vor der Polizei, mal werden sie als Regen-Effekt eingesetzt.

Immer wieder holen Vera Weisbrod und Peter Reisser ihre Kostüme aus dem rot-blauen Meer hervor und ziehen sich - im Weiterspielen - auf der Bühne um. Auch drückt das zerstückelte Papier den zweifelnden Lebenszustand von Gospodin aus: Seine Welt steht kopf. Nachdem er seine Lebensgrundlage, ein Lama, mit dem er bettelnd dem Kapitalismus ein Schnippchen schlagen wollte, an Greenpeace verloren hat, scheint es für ihn zunächst keine andere Lösung zu geben als Selbstmord.
Doch dann stellt er sich mit vier Grundsätzen einer ganz neuen Lebensaufgabe.
Diese lauten: 1. Ein Weggang ist auszuschließen. 2. Geld darf nicht notwenig sein. 3. Jedweder Besitz ist abzulehnen. 4. Freiheit ist, keine Entscheidung treffen zu müssen. Gospodins Freunde und Familie sind mit dieser Entwicklung keineswegs einverstanden und versuchen den „Gestrandeten“, hervorragend dargestellt von Stefan Leonhardsberger, auf den richtigen Weg zu bringen. Doch Gospodin kämpft mit all seiner Kraft gegen die gesellschaftlichen Normen und gegen den Kapitalismus, um seine „persönliche Freiheit“ ohne Hab und Gut zu finden. Letztendlich bringt ihm genau das „verhasste Geld“ seiner inneren Freiheit näher. Durch eine Tasche mit fast einer Million Euro, die ihm von einem Unbekannten anvertraut wird, gerät er in die Fänge der Polizei und landet im Gefängnis. An diesem Ort, der im normalen Leben für absolute Unfreiheit steht, findet Gospodin letztendlich seine innere Ruhe und seine persönliche Freiheit: Das Leben leben zu lassen; einfach nur „sein“.