Kritik der Installation, Choreographie, Aktion Performance im Streitfeld München
10 Trials and nor more reels, München 2015
Süddeutsche Zeitung, 14. Juli 2015
Süddeutsche Zeitung, 14. Juli 2015
Atmosphäre der Verlorenheit
Musik und Theater nahe an der Schmerzgrenze: Sebastian Hirns ‚10 Trials and no more reels‘ in der Streitfeldstraße 33
Das einstige Schwimmbad in der Streitfeldstraße in Berg am Laim könnte zu einem spannenden Ort für performatives Theater werden. Wenn da nur nicht die Behörden und besorgte Anwohner wären
von Sabine Leucht
Musik und Theater nahe an der Schmerzgrenze: Sebastian Hirns ‚10 Trials and no more reels‘ in der Streitfeldstraße 33
Das einstige Schwimmbad in der Streitfeldstraße in Berg am Laim könnte zu einem spannenden Ort für performatives Theater werden. Wenn da nur nicht die Behörden und besorgte Anwohner wären
von Sabine Leucht
Das ehemalige Schwimmbad in der Streitfeldstraße 33 ist offiziell nur ein Lagerraum, aber zweifellos auch ein spannender Ort für Theater. Wäre da nicht die Angst der Behörden vor dem Absturz von Zuschauern ins leere Bassin... Doch selbst wenn der Sicherheit genüge getan wird, bleibt da noch der begrenzte Raum, den Sebastian Hirn für seine Installation „10 trials and no more reels“ am vergangenen Wochenende fluchtwegtauglich durch stählerne Anbauten verbreitert hat, so dass eine überschaubare Anzahl von Besuchern sich mit freier Sicht aufs Becken bewegen konnte, in dem nicht nur ein fast vollständiges Fischerboot und eine Steuermannkabine Platz fanden, sondern auch die Tänzerinnen Sahra Huby und Hyoung- Min Kim, die mit ihren Körpern den Raum abtasteten, Rettungsringe ritten und mit robbenden Bewegungen hinter sich herzogen oder sich mit Schulter oder Kopf auf dem ungerührt weiter Wind generierenden, klopfenden und tönenden Akkordeonisten Krassimir Sterev abstützten.
Wie ferngesteuert oder auf der Flucht vor einem unabwendbaren Schicksal hieven sich Kim und Huby mit steif gewordenen oder scheinbar aneinandergewachsenen Gliedern aus dem Schiffsbauch, schmeißen sich vom Boot aus gerade noch so an den Beckenrand, oder zwängen sich durch die Licht- und Belüftungsschächte nach draußen. Aber sie kommen auch immer wieder, ziehen ganz und gar nicht getrieben Schuhe an und aus, legen mit losen Mosaikfliesen Muster oder verspannen Seile. Kurz: Machen Zeug. Und machen es gut. Aber es wird dabei schon auch klar, warum Hirn seine kleine „Aktionsreihe“ für’s freie Kommen und Gehen eingerichtet hat.
Wie ferngesteuert oder auf der Flucht vor einem unabwendbaren Schicksal hieven sich Kim und Huby mit steif gewordenen oder scheinbar aneinandergewachsenen Gliedern aus dem Schiffsbauch, schmeißen sich vom Boot aus gerade noch so an den Beckenrand, oder zwängen sich durch die Licht- und Belüftungsschächte nach draußen. Aber sie kommen auch immer wieder, ziehen ganz und gar nicht getrieben Schuhe an und aus, legen mit losen Mosaikfliesen Muster oder verspannen Seile. Kurz: Machen Zeug. Und machen es gut. Aber es wird dabei schon auch klar, warum Hirn seine kleine „Aktionsreihe“ für’s freie Kommen und Gehen eingerichtet hat.
Denn es gibt keine Dramaturgie, kein Warum und Wozu hinter den Aktionen, nur eine leicht klaustrophobische, fast endzeitliche Atmosphäre der Verlorenheit, die einen etwa eine Stunde lang in Bann zieht, ehe das eigene Hirn zu viele Fragen generiert. Das ist im übrigen an beiden Abenden so, die sich in der Intensität und der konkreten Ausformung, nicht aber wesentlich unterscheiden.
Auf den geplanten Schaum im zweiten Teil hat der Regisseur verzichtet, weil die Verantwortlichen vom Verein „Genius loci“ nach den Anwohnerprotesten des Vortrages wenigstens innerhalb des Hauses auf Nummer sicher gehen wollten. Die Proteste konnte mitverfolgen, wer den Raum wegen der hart an die Schmerzgrenze gefahrenen Akkorde der Schweizer Bassformation Frachter vor Ende verlassen hatte: tollen andersweltlichen Lauten eigentlich, zu denen man das Seufzen der Wale wie des Weltraums assoziieren kann, aber auch eine wirksame Foltermethode. Und selbst wenn man sich angeblich weit jenseits von tödlichen Frequenzen befunden hat, ist diese schädeldeckenabhebende Form der Ganzkörpermassage nicht jedermanns Sache. Auch den sich von einer dubiosen „Künstlervereinigung“ terrorisiert fühlenden Anwohnern fehlte scheint’s der Sinn für die Schönheit eines erbebenden Hauses, dessen Lichtschachtabdeckungen draußen vor der Tür ihren eigenen scheppernden Tanz aufführten.
Man muss wohl noch mehr beachten als einen raumgemäßen, starken Zugriff und die Wünsche der Lokalbaukommission, wenn man in einem Wohngebiet langfristig ein neues Terrain für’s zeitgenössische Theater erobern will.
Auf den geplanten Schaum im zweiten Teil hat der Regisseur verzichtet, weil die Verantwortlichen vom Verein „Genius loci“ nach den Anwohnerprotesten des Vortrages wenigstens innerhalb des Hauses auf Nummer sicher gehen wollten. Die Proteste konnte mitverfolgen, wer den Raum wegen der hart an die Schmerzgrenze gefahrenen Akkorde der Schweizer Bassformation Frachter vor Ende verlassen hatte: tollen andersweltlichen Lauten eigentlich, zu denen man das Seufzen der Wale wie des Weltraums assoziieren kann, aber auch eine wirksame Foltermethode. Und selbst wenn man sich angeblich weit jenseits von tödlichen Frequenzen befunden hat, ist diese schädeldeckenabhebende Form der Ganzkörpermassage nicht jedermanns Sache. Auch den sich von einer dubiosen „Künstlervereinigung“ terrorisiert fühlenden Anwohnern fehlte scheint’s der Sinn für die Schönheit eines erbebenden Hauses, dessen Lichtschachtabdeckungen draußen vor der Tür ihren eigenen scheppernden Tanz aufführten.
Man muss wohl noch mehr beachten als einen raumgemäßen, starken Zugriff und die Wünsche der Lokalbaukommission, wenn man in einem Wohngebiet langfristig ein neues Terrain für’s zeitgenössische Theater erobern will.